Wie die Mutter, so die Tochter

Wie die Mutter, so die Tochter

Volleyballerin Lena Bernhard aus Minden steigt mit Skurios Borken in die Bundesliga auf und ist die Zweite in ihrer Familie, der der Sprung in die Beletage gelingt. Ihre Mutter Anja Dunst-Bernhard schaffte 1988 das gleiche Kunststück mit dem TV Hörde.

Als Lena Bernhard nach dem 3:1-Sieg gegen NawaRo Straubing im letzten Saisonmatch stolz den Meisterpokal für den Titelgewinn in der 2. Volleyball-Liga Pro in die Höhe stemmt, geht für die Mindenerin ein Traum in Erfüllung: Mit 22 Jahren ist sie in die Bundesliga aufgestiegen und genießt den größten Erfolg ihrer Karriere in vollen Zügen. 1.042 Zuschauer feiern das Team, das bereits seit Ende März als Meister feststeht und die Saison unbedingt mit einem Sieg beenden wollte, für eine tadellose Spielzeit ausgiebig.

„Ich kann das alles noch gar nicht glauben. Es wird noch einige Zeit dauern, bis ich realisiert habe, was wir mit Borken geschafft haben und was jetzt noch bevorsteht. Man war ja Erfolge auch schon aus der Jugend gewohnt, doch so einen Meisterpokal in der Hand zu haben, ist noch einmal etwas ganz anderes“, sagt Lena Bernhard mit etwas Abstand im Gespräch mit dem Mindener Tageblatt.

Mittendrin in der ausgelassenen Menge: Lenas Eltern, die es sich nicht hatten nehmen lassen, bei diesem historischen Augenblick dabei zu sein. Und Mutter Anja Dunst-Bernhard dürfte in diesem Moment besonders warm ums Herz sein, in der Gewissheit, dass nun bereits das zweite Familienmitglied in der höchsten deutschen Spielklasse angekommen ist.

Ihr selbst war das Kunststück 1988 mit dem TV Hörde gelungen. Damit war sie seinerzeit die erste Bundesliga-Volleyballerin aus Minden. Danach hatte sich noch Donata Huebert, ehemalige Akteurin des 1. VC Minden, mit Bayer Leverkusen dazugesellt. Jetzt ergänzt also Lena Bernhard den erlauchten Kreis.

Lena und Mutter Anja, das ist die Volleyball-Fraktion in der Familie Bernhard, während sich Vater Dirk und Sohn Hannes dem Handball bei GWD Minden verschrieben haben. Der Aufstieg in die Bundesliga ist jedoch nicht das einzige, was Mutter und Tochter verbindet. Beide haben mit dem Volleyball in der Grundschule begonnen, sind Spezialistinnen auf der Position Annahme außen, für beide war der TV Hörde ein Karriere- Meilenstein – und beide haben auch das Trikot mit der Nummer 1.

Anja Dunst, wie sie als Mädchen noch heißt, startet ihre Volleyball-Karriere in der glorreichen Zeit bei GWD Minden, als der Verein in dieser Sportart eine Macht in NRW ist. Trainer ist Thomas Hanke, der später auch beim 1. VC Minden die erste Frauenmannschaft in der Regionalliga betreut. Er entdeckt schnell das Talent von Anja Dunst, die mit viel Fleiß auch an sich arbeitet. Der Lohn lässt nicht lange auf sich warten. Dunst wird erste Jugend-Auswahlspielerin Mindens im Volleyball. Nach ihrer Mittleren Reife beginnt sie eine Ausbildung zur Technischen Zeichnerin im Bereich Maschinenbau, führt diese jedoch bereits ein Jahr später in Dortmund-Hörde fort. Für ihre Volleyball-Karriere ein Quantensprung. „Ich bin dann Jugend- und Junioren-Nationalspielerin geworden und habe mit der ersten Frauenmannschaft des TV Hörde zwei Jahre in der 2. Liga gespielt“, erinnert sich die Mindenerin. Trainer des Jugend Nationalteams wie auch der Hörderinnen ist damals Jürgen Wagner – ein Glücksfall für ihre sportliche Entwicklung. In der Saison 1987/88 darf Dunst gleich doppelt jubeln. „Wir sind damals deutscher A-Jugendmeister geworden und mit Hörde in die Bundesliga aufgestiegen. Daran denke ich heute noch gerne zurück.“

Dunst spielt noch ein Jahr in der höchsten deutschen Spielklasse bei den Dortmunder Vorstädterinnen, bevor sie beim Bundesliga-Konkurrenten VfL Oythe anheuert. Auch hier agiert sie eine Saison in der Beletage und beendet dann schon ihre Karriere im Spitzenvolleyball – der Liebe wegen. Denn bereits zu dieser Zeit ist sie mit Dirk Bernhard liiert. Dunst wird wieder in Minden sesshaft, heiratet ihren Lebensgefährten, gründet mit ihm eine Familie und gibt seitdem ihr Können und Wissen im Volleyball an Jugendliche weiter. Hin und wieder hilft sie als Routinier noch in verschiedenen Frauenmannschaften des mittlerweile den Volleyball in Minden bestimmenden 1. VC Minden aus oder bringt sich als Schiedsrichterin ein.

Von der Jugend an in ihrem Schlepptau: Tochter Lena. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass diese wie aus der Pistole geschossen antwortet, als sie auf ein mögliches Vorbild in ihrer Sportart angesprochen wird. „Natürlich ist Mama bis heute ein Vorbild für mich, auch wenn sich der Volleyball im Gegensatz zu ihrer Zeit doch rasant verändert hat.“ Die Mutter-Tochter-Beziehung muss in der Jugendzeit Lena Bernhards einige Hürden überspringen, ist doch Anja Dunst-Bernhard über viele Jahre Lenas Trainerin oder Assistentin an der Seite von VC-Jugendcoach Yuri Chabrouski. „Ich wollte mir auf keinen Fall nachsagen lassen, meine Tochter zu bevorteilen. Meist habe ich bei ihr sogar höhere Maßstäbe angesetzt als beiden anderen Spielerinnen“, erinnert sich Dunst-Bernhard schmunzelnd. Und auch Tochter Lena blickt zurück: „Wir haben einige Kämpfe ausgefochten, doch für meine Entwicklung war das nur von Vorteil. Besonders dankbar bin ich Mama, dass sie immer auf eine tadellose Ausbildung in Sachen Volleyball- Grundtechniken geachtet hat. Das war immer eine VC-Stärke.“

Lenas Problem aber: Sie wächst zu spät. „Daher sind Jugend-Auswahllehrgänge an mir vorübergegangen. Ich habe nur Kreisauswahl unter Yuri Chabrouski gespielt.“ Das ändert sich jedoch. Bereits im späten Jugendalter spielt die Schülerin des Besselgymnasiums bei den Frauen von Hannover-Langenhagen, misst mittlerweile 1,82 Meter, wechselt zum damaligen Drittligisten TV Hörde und heuert danach für drei Jahre beim Zweitligisten VC Essen an. Als es dann für die Studentin, die ihren Bachelor in Medizintechnik in der Tasche hat, im Zuge ihrer Masterarbeit, für die sie einen Praxissemester- Platz in Aachen gefunden hat, im Klub schwierig wird, ist Skurios Borken der nächste Verein in Bernhards Karriere. „Borken war damals äußerst entgegenkommend. Ich habe die komplette Vorbereitung im Sommer beim Bundesligisten Black Ladies Aachen mitgemacht und dann in der Saison in Borken gespielt. Das hat super funktioniert“, sagt Bernhard.

Mittlerweile hat sie an der Fachhochschule in Kleve fast fertig studiert und nur noch die Masterarbeit in Gesundheitswissenschaften und Management vor sich. „So kann ich mich nun schwerpunktmäßig auf Volleyball konzentrierten, da ich örtlich und zeitlich nicht mehr gebunden bin.“ Und der Bundesliga-Aufstieg könnte der Katalysator für eine große Karriere sein, die sie nicht schon nach zwei oder drei Bundesliga-Jahren an den Nagel hängen, sondern erst einmal auskosten möchte. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Tochter ausnahmsweise einmal von ihrer Mutter.

Text: Thomas Kühlmann (Veröffentlichung des Artikels vom 2. Mail mit freundlicher Genehmigung des Mindener Tageblatts)
Foto: Thomas Hacker