Von Saporischschja nach Borken – Anastasiia über Familie und Frieden

Von Saporischschja nach Borken – Anastasiia über Familie und Frieden

Außenangreiferin Anastasiia Petrychenko hat in Borken ein sportliches Zuhause gefunden – weit entfernt von ihrer Heimat Ukraine und ihrer Familie. Im Beitrag spricht sie über ihren Weg nach Deutschland, die Herausforderungen der Trennung von ihrem Mann und ihren Wunsch nach Frieden und einem festen Zuhause.

In Borken, fand Anastasiia Petrychenko im Spätsommer 2024 ein neues sportliches Zuhause – 700 Kilometer weit weg von ihrem Ehemann und noch viel weiter entfernt von ihrer Heimat, ihrer Mutter und ihren Freunden. Die 27- Jährige kommt aus der Ukraine, ist als Profi-Volleyballerin für den Außenangriff bei den Skurios Volleys Borken in der 2. Bundesliga Pro zuständig. Im Team fühle sie sich zwar sehr wohl, sagt die 1,85 Meter große Petrychenko. Trotzdem: Sie hatte eigentlich etwas andere Pläne.

Denn eigentlich sollte auch ihr Mann Serhii Petrychenko nur 80 Kilometer weiter nordöstlich seinem Job als Handball-Profi im Münsterland nachgehen. Der Zwei-Meter-Hüne hatte zuletzt beim MSK Povazska Bystrica in der Slowakei gespielt, stand unmittelbar vor einem Wechsel zum TV Emsdetten. Für den Handball-Zweitligisten spielte er auch. Aber nur kurz. Denn ihm fehlte die Arbeitserlaubnis als Nicht-EU-Bürger.

„Borken war aufgrund der Nähe zu Emsdetten eigentlich ideal für mich. Deswegen hatte mein Agent auch Kontakt zu den Skurios Volleys aufgenommen. Zudem war das meine Chance, in einer starken Liga zu spielen“, sagt Anastasiia Petrychenko. Doch ihr Mann wechselte notgedrungen den Klub, spielt jetzt im österreichischen Bregenz Handball. „Wir sehen uns höchstens einmal im Monat“, sagt sie. Und selbst dann sei es dank der Deutschen Bahn ein ziemlicher Aufwand, zu ihrem Mann nach Vorarlberg zu kommen.

Bis zum Ausbruch des Kriegs in der Ukraine spielte Anastasiia Petrychenko in ihrer Heimat Volleyball, dann für jeweils eine Saison in Montenegro und in Italien. Wenn sie von ihrer Flucht aus ihrer Heimatstadt Saporischschja berichtet, muss sie schlucken. Man merkt, dass es ihr schwerfällt, darüber zu sprechen.

Alle Menschen seien in Panik gewesen, die Straßen waren übervoll, alle wollten weg. Auch Petrychenko stieg in ihr Auto und fuhr Richtung Slowakei. „Ich hatte Angst, auch weil ich erst wenige Wochen zuvor meinen Führerschein gemacht hatte. Für die Strecke, für die man normalerweise zwei Tage benötigt, brauchte ich vier. Das waren mehr als 1000 Kilometer ohne Schlaf“, erzählt sie.

Seit ihrem elften Lebensjahr spielt sie Volleyball, im Westmünsterland fühlt sie sich – trotz der Umstände – wohl. Und auch in der Mannschaft der Skurios Volleys sei sie gut aufgenommen worden, konnte bereits viele Kontakte knüpfen. „Die Menschen im Team sind immer für mich da, auch wenn ich mal Hilfe brauche“, so Petrychenko.

Steht sie gerade mal nicht auf dem Volleyballfeld, dann häkelt sie gerne. „Ich habe Spielzeuge für Kinder, Jacken und Weihnachtsdekoration gehäkelt. Das macht mir einfach Spaß“, sagt sie. Ihr Herz schlägt aber auch für Tiere. Zuhause bei ihrer Mutter in der Ukraine hat sie einen kleinen Hund: „Einen Yorkshire Terrier, ich vermisse ihn sehr.“

Auf Weihnachten, auf die kurze Trainingspause, auf die Auszeit zwischen den Jahren hat sie sich sehr gefreut. In der trifft sie nun endlich ihre Lieben wieder. In der Slowakei – auch ihre Mutter, Freunde und natürlich ihren Mann Serhii. Es gibt so viel zu erzählen. Anastasiia Petrychenko wird auch von einem höchst erfolgreichen Start in Borken berichten können, von der Tabellenführung zur Saisonmitte in der 2. Bundesliga Pro.

Und was wünscht sie sich für die Zukunft? Ihr größter Wunsch: Das Ende des Kriegs, des Leids in ihrer Heimat, das Ende des Bangens um Familie und Freunde, die zu Hause geblieben sind. „Und ich wünsche ich mir eine große Familie und ein festes Zuhause, in das ich immer zurückkehren kann. Das muss auch nicht zwingend in der Ukraine sein. Ich fühle mich überall wohl – wenn ich mit meiner Familie zusammen bin“, sagt sie.

Text: Janna Brunsbach (BZ)
Fotos: Thomas Hacker